Wissenschaft auf Abwegen
Von der „Sokal affair“ zur „Grievance Studies affair“
Reaktionen
Die University of Portland zeigte sich wenig dankbar für die wissenschaftskritischen Beiträge der Autoren. Sie leitete gegen Peter Boghossian eine Untersuchung wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (scientific misconduct) forschungsethischer Art ein. Ein Kommentator der New York Times führte die Missstände auf die Hyper-Spezialisierung in den Geisteswissenschaften zurück. In Deutschland bereiteten die den Gender Studies gegenüber ablehnend eingestellten rechten Medien den Skandal genüsslich auf (Neue Freiheit Nr. 8/19). Bürgerliche und linke Medien wie die FAZ und der Freitag verwiesen darauf, dass Fälle mangelnder wissenschaftlicher Überprüfung nicht nur in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften, sondern auch in den „harten“ Disziplinen vorgekommen seien.
Die Verdienste der Nestbeschmutzer
In Zeiten von Fake News und postfaktischer Politik kommt wissenschaftlicher Belegbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Rechte Populisten streiten Forschungsergebnisse zum Weltklima ab, manche sogar die Ergebnisse der Evolutionsbiologie. Umso größer ist die Bedeutung wissenschaftlicher Verlässlichkeit und umso verdienstvoller sind die Aktivitäten von „Nestbeschmutzern“ von Sokal bis Boghossian. Dass ideologischer Übereifer in Gender Studies und Identitätspolitik an den Universitäten oft bizarre Blüten treibt, ist kein Argument gegen Gender Studies an sich. Es gilt aber für den Wissenschaftsbetrieb wie auch für die mediale Berichterstattung: Die Beglaubigung von Behauptungen allein durch eine angenommene ideologische Korrektheit schadet der offenen Gesellschaft, ganz gleich ob dies auf der rechten, der liberalen oder der linken Seite des Spektrums praktiziert wird.
Zum Thema:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/gendertheorie-maenner-in-ketten-1.4157366