Die Sammlungsbewegung

12.10.2018

Das Bedürfnis, diesen Blog zu schreiben, entstand, weil mich schon seit einigen Jahren das Anwachsen des Rechtspopulismus und die Zunahme autoritär-nationalistischer Regierungen zunehmend bedrückt. Dabei beschäftigt mich auch die Frage, wieso diese Entwicklung nicht nur in Europa, sondern weltweit und unter sehr verschiedenen Bedingungen stattfindet. Ich bin überzeugt, dass der Gegensatz zwischen rechtspopulistischen, nationalistischen Strömungen und den Vertretern der liberalen, pluralistischen Demokratie in den kommenden Jahren die Hauptlinie der öffentlichen Auseinandersetzung bestimmen wird.

Wie also soll ich mir die auffällige Abstinenz der „Sammlungsbewegung“ in dieser Frage erklären? Aufschluss gibt ein Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht in der WELT vom  25.06.2018 mit dem Titel „Warum wir eine neue Sammlungsbewegung brauchen„. Sie stellt fest:  Weltoffenheit, Antirassismus und Minderheitenschutz sind das Wohlfühl-Label, um Umverteilung von unten nach oben zu kaschieren und ihren Nutznießern ein gutes Gewissen zu bereiten. 

Werte der offenen Gesellschaft wie Weltoffenheit, Antirassismus und Minderheitenschutz haben offensichtlich für Wagenknecht keine eigenständige Bedeutung; vielmehr lenken sie vom Eigentlichen ab, nämlich von der sozialen Spaltung, der rüdeUmverteilung von unten nach oben.

Was also ist von einer „Sammlungsbewegung“ zu erwarten, die sich so auffällig weit abseits zentraler Konfliktlinien der Gesellschaft hält?


04.10.2018

Ich habe mal wieder bei aufstehen.de nachgeschaut. Im Kopfteil der Seite thront Sahra Wagenknecht; wenn man darauf klickt, startet ein Film mit Statements von verschiedenen Akteuren der Bewegung, als Letztes aber nicht zuletzt auch von Wagenknecht.

Der Hauptteil reiht auf Facebook verlinkende Beiträge zu vielfältigen Themen auf, vom Hambacher Wald über den Dieselbetrug und die Wohnungsmisere bis hin zur sozialen Spaltung. Das in den letzten Wochen anlässlich der Ereignisse in Chemnitz in den Medien hochgekochte Thema der wachsenden Präsenz und Aggressivität der Rechten scheint hier keinen Niederschlag zu finden, zumindest nicht in den Überschriften. Liegt es daran, dass andere Themen dem Bewegungsvolk mehr auf den Nägeln brennen? Oder will man es am Ende vielleicht vermeiden, nationalistisch und populistisch gestimmte Anhänger der Bewegung zu vergrätzen?

Ich jedenfalls empfinde das Thema Rechtspopulismus als bedrängend. Um zu einem klareren Verständnis dessen zu kommen, was aktuell geschieht, erstelle ich Seiten zu Themen  wie: Populismus,  gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rassismus; es sind kurze Zusammenfassungen gängiger Definitionen, in die ich auch jeweils meine persönliche Perspektive einfließen lasse. Weitere solche „Definitionsseiten“ werden folgen. Ich finde, diese Themen verdienen eine eigenständige Behandlung und nicht nur eine Darstellung als Nebenwirkungen der Globalisierung und der sozialen Spaltung.


05.09.2018

Nach Angaben der Betreiber der Website aufstehen.de ist nicht nur die Zahl der Teilnehmer mit bisher über 100.000 enorm, sondern auch die Beteiligung an Diskussionen auf der Plattform pol.is und in den sozialen Netzwerken. Vorausgegangen sind im Vorfeld häufige Ankündigungen in Medien wie dem Fernsehen und der Presse. Mit meinen Beobachtungen hier im Blog habe ich mich im Grunde auch an diesem Hype beteiligt. Vertreter der „linken“ Parteien haben sich bisher überwiegend ablehnend geäußert; viele befürchten, dass statt einer Sammlung eine weitere Zersplitterung die Folge sein könnte.

Ich bin bisher eher skeptisch als hoffnungsfroh, was vor allem an meinen Vorbehalten gegenüber Wagenknecht und Lafontaine liegt: Ich halte beide nicht für sonderlich integrierend. Dennoch sehe ich darin einen interessanten Versuch. Die Beteiligung vieler Bürger wie auch die Kommentare der Kritiker sind erst einmal ein Beitrag zur Belebung der Öffentlichkeit. Wohin es führt und was es bringt – das werden wir wohl erst mit etwas Abstand beurteilen können. Damit schließe ich vorläufig meinen Beitrag über die „Bewegung“.


05.09.2018

Auf der Webseite von aufstehen.de erscheint ganz oben ein Banner, das zu pol.is verlinkt . Darunter befindet sich in Spalten angeordnet ein Sammelsurium von Links zu Inhalten in den sozialen Netzwerken und zu Statements von Unterstützern. Rechts oben ist – wenig auffällig – ein kleines Social-Media-Menü angebracht; neben Facebook, Twitter, Instagram und dem Youtube-Kanal aufstehen gibt es da ebenfalls ein Icon mit einem Link zur Plattform pol.is.

pol.is ist eine Open-Source-Software, mit deren Hilfe Meinungsbilder in Mengendiagrammen visualisiert werden. Das interaktive Umfragetool soll helfen, bei zur Diskussion stehenden Sachverhalten die Nuancen von Zustimmung und Ablehnung in einer Gruppe herauszufinden. (3) Auf der gestrigen Pressekonferenz wurde pol.is kurz von dem Kommunikationsexperten Hans Albers vorgestellt.

Ich muss gestehen, dass ich pol.is bisher nicht kannte. Die Idee finde ich interessant. Seit einigen Jahren schon habe ich keine Profile mehr bei Facebook & Co, umso mehr interessieren mich alternative Wege, im Netz den Meinungsaustausch zu betreiben.


04.09.2018

Ich bin im Sportstudio, auf dem Crosstrainer. Auf dem Fernsehschirm läuft die Pressekonferenz zum Start der Bewegung. Sahra Wagenknecht verkündet, dass sich über 100.000 Menschen auf dem Portal von aufstehen.de eingetragen haben. Das ist eine Menge. Sie spricht im Zusammenhang mit der zunehmend ungleichen Einkommensverteilung von einer Krise der Demokratie  und sieht darin auch eine wesentliche Ursache für das Anwachsen rechter Bewegungen

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, wie es bei den Vorgängen in Chemnitz sichtbar wurde.

Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine glaubt hier einen Hebel gefunden zu haben, um die Wählerwanderung zur AfD zu stoppen oder sogar umzukehren: „Wir wollen das über die soziale Frage lösen.“(1) Möglicherweise sind Wagenknecht und Lafontaine hier aber einer Fehleinschätzung aufgesessen. Populistische Bewegungen werden zwar auch von sozialer Ungerechtigkeit befördert. Allerdings zeigen Untersuchungen puttygen , dass es in der AfD sehr wohl einen stabilen Kern von rechten Wählern gibt, bei dem sozial und ökonomisch benachteiligte Bevölkerungsteile nicht dominieren.(Eversberg S. 4-5) Diese Wähler abzuwerben ist meines Erachtens aber nur zum Preis von Zugeständnissen bei autoritär-nationalistischen Inhalten möglich.


04.09.2018

Heute soll die Sammlungsbewegung starten. Auf der Webseite von aufstehen.de sind morgens früh vorübergehend die Statements von Mitgliedern  verschwunden; stattdessen kann man über einen Videoplayer die Abschlussrede aus Charlie Chaplins Film „Der große Diktator“ starten – ein Plädoyer für Menschlichkeit und Demokratie.

Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man Menschen bewegt, haben gestern Abend in Chemnitz die Musiker geliefert, die in der von rechten Aufmärschen geplagten Stadt ein Rockkonzert gegen Rechts gegeben haben. Motto: #wirsindmehr. Spontan sind etwa 65.000 Zuschauer gekommen, überwiegend sehr junge Menschen, und haben stundenlang gefeiert.  Bewegung braucht Gefühl.


09.08.2018

Gestern hat web.de ein Interview mit Sahra Wagenknecht zu Sinn und Zweck der Sammlungsbewegung veröffentlicht.  Sie stellt sich die Arbeit der Bewegung folgendermaßen vor:

Wir werden mit kreativem, unkonventionellem Inhalt online präsent sein. Auf unserer Webseite aufstehen.de und in den sozialen Medien. Und wir werden Strukturen vor Ort aufbauen. Da wird es Events geben, Straßenaktionen, aber auch größere Veranstaltungen.

Wir werden aber vor allem eines tun: unsere Mitstreiter einbeziehen, zu Wort kommen lassen, ihrer Stimme ein Podium geben. Mit moderner Software können wir Diskussionen mit hunderttausenden Teilnehmern organisieren.

Das klingt erst mal nach einer guten Idee, muss ich zugeben – auch wenn ich bisher die Fähigkeit Wagenknechts, verschiedene Strömungen zu zusammenzuführen, sehr skeptisch sehe.


06.08.2018

Es wird in der Presse oft darauf hingewiesen, dass die Initiatoren der Sammlungsbewegung auch die Bedeutung kultureller Identität und patriotischer Werte hervorheben. Repräsentative zitierfähige Aussagen finde ich dazu auf Anhieb nicht.
Für mich hat Heimatgefühl viel mit gesellschaftlichen Grundwerten zu tun. Ich halte es mit Heinrich Heine, der im Vorwort zu „Deutschland, ein Wintermärchen“ schreibt:

Pflanzt die schwarzrotgoldne Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschtums, und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben. Beruhigt euch, ich liebe das Vaterland ebensosehr wie ihr.


04.08.2018

In der Tagesschau wieder der Hinweis auf das heute startende Portal.

Auf der Webseite steht „Start der Bewegung 04. September 2018“. Es gibt Porträtbilder von Menschen, die man sich als Durchschnittsbürger vorstellen könnte. Per Click auf die Fotos kann man kurze Videos starten, in denen sich die Personen vorstellen und ihr Anliegen erklären. Dazwischen stehen die Schriftzüge „DEN BÜRGERN MUSS ZUGEHÖRT WERDEN!“ und „FLASCHEN SAMMELN DARF KEINE LÖSUNG SEIN!“ Ich sehe mir eine kleine Auswahl der Clips an; diese wirken lebensnah und vernünftig.

Erster Eindruck: Wirkt bodenständig und volksnah. „Die Bewegung“ ist möglicherweise eine etwas unglückliche Wortwahl.


03.08.2018

Morgen ist es so weit. Laut Tagesschau-Meldung geht morgen mit aufstehen.de die neue Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht online.

Auf der Website ist als Platzhalter schon eine minimalistische Seite installiert: Über einen Audioplayer kann man Bob Dylans „The Times They Are A Changin'“ abspielen. Ein Countdown-Zähler zeigt die Stunden bis zum Go-live an. Weiter unten befindet sich unter dem Schriftzug „WERDE TEIL DER BEWEGUNG!“ ein Registrierungsformular. Laut Impressum verantwortlich für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV sind Bernd Stegemann und die Rechtsanwaltskanzlei Ulf Dobberstein.

Erster Kommentar: Unsere Demokratie leidet unter den sich aneinanderreihenden scheinbar alternativlosen CDU/CSU-Regierungen. Entsteht hier ein Ansatz zum Durchbrechen dieser bleiernen Zeit?