Im Wahlkampf werden hässliche Kinder geboren
In der vierten Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel konstatieren wir, dass Deutschland auf einem Berg ungelöster gesellschaftlicher Aufgaben sitzt, die dringend der Thematisierung und Behebung bedürfen.
Ich habe herausgefunden, dass unsere Probleme vor allem drei Mütter haben:
Erste Mutter aller Probleme: Horst Seehofer. Anlässlich der Vorfälle in Chemnitz machte der CSU-Politiker Schlagzeilen mit der Behauptung: „Mutter aller Probleme ist die Migration.“ Beifall kam von der AfD. Mittlerweile hat Seehofers Partei beschlossen, die Mutter aller Probleme sei Herr Seehofer selbst. Es lohnt sich daher nicht mehr, hier ein Porträtbild des Politikers zu zeigen. Als Platzhalter möge der schwarze Kinderwagen dienen.
Zweite Mutter aller Probleme: Jens Spahn. Als Merkel ankündigte, den CDU-Vorsitz aufzugeben, warf er seinen Hut in den Ring, auch wenn er als chancenlos gilt. Der deutschen Öffentlichkeit, die noch erschöpft und genervt vom Dauergezänk um das Thema der Migration war, verkündete er: „Der weiße Elefant im Raum ist die Frage der Migration.“ Beifall kam von der AfD. Wenig später legte er nach mit der Forderung, den UN-Migrationspakt auf dem CDU-Parteitag neu zu diskutieren. Beifall kam, na, von wem wohl?
Dritte Mutter aller Probleme: Friedrich Merz, ebenfalls Kandidat für den Parteivorsitz der CDU. Auf einer Regionalkonferenz seiner Partei stellte er das Individualrecht auf Asyl im Grundgesetz in Frage. Beifall kam von der AfD. Tatsächlich wird die deutsche Asylpraxis im Wesentlichen durch EU-Recht (worauf das Grundgesetz Bezug nimmt) und die Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt. Es handelt sich also um eine Scheindebatte.
Was reitet diese drei Mütter, wenn sie, bei dem Versuch, Aufmerksamkeit zu erhaschen, wieder und wieder Rosmary’s Baby im Kinderwagen auf die Bühne fahren? Fragen der Migration und der Eingliederung von Einwanderern sind hochkomplex und verlangen dringend Antworten. Dazu gibt es viele ernst zu nehmende Diskussionsbeiträge
, doch die Politik bleibt Lösungen schuldig. Unsere drei Problemmütter hingegen sind offensichtlich besessen von der Vorstellung, dass im Wahlkampf die Fragen von Flucht und Migration das ultimative Mittel sind, um Popularität zu erlangen. Sie wollen sich mit allen Mitteln im Gespräch zu halten, und sei es auch mit Äußerungen frei von Substanz, aber auf Kosten von Menschen: nämlich der Geflüchteten und der Arbeitsmigranten.
Um Seehofer ist es mittlerweile still geworden. Spahn produziert tragische Werbevideos. Merz hingegen gilt als die große Hoffnung alter Männerseilschaften. Ihm werden reale Chancen eingeräumt. Deutschland hat reale Probleme. Vielleicht unterschätzen die drei Mütter in ihrer Anbiederung an den Rechtspopulismus das Bedürfnis der Bevölkerung nach realen Problemlösungen. Gut bedient werden nur die Interessen der AfD. Sie erhält Beglaubigung und Publicity durch Andere und kann sich ein wenig vom mühseligen Geschäft der ständigen Provokationen ausruhen.