Rape is not resistance

Schrift auf dem Pflaster

Ende Januar 2024 „stolperte“ ich auf dem Weg zur Kölner Zentralbibliothek über eine Reihe Slogans, die auf den Boden gesprüht worden waren. Einer lautete „RAPE IS NOT RESISTANCE“. Der Text bezog sich auf das Massaker der Hamas vom 07. Oktober 2023, bei dem unter anderem Frauen verstümmelt und zu Tode vergewaltigt worden waren. Über die Art und das Ausmaß der sexualisierten Gewalt entwickelten sich in der Presse und anderen Medien Kontroversen. Glaubwürdig erscheint mir eine detaillierte Zusammenfassung durch die Heinrich-Böll-Stiftung, die wiederum die Recherchen der liberalen israelischen Zeitung Haaretz wiedergibt.

Leugnungskampagne

Während die Hamas-Terroristen stolz ihre Gräueltaten im Internet streamten entwickelte sich parallel eine Leugnungskampagne. Ich sehe in einer Fernsehreportage in einem Teehaus der Westbank freundliche ältere Herren, die erklären, das sei alles nicht wahr, da der Islam die Vergewaltigung von Frauen verbiete. In einer Nachrichtensendung des deutschen Fernsehens sehe ich wiederum, wie bei einer „propalästinensischen“ Demo eine westlich gekleidete junge Frau (sinngemäß) ruft: „Wo sind sie denn, eure Vergewaltigungen?“ Am Jahrestag des Pogroms gibt es in vielen deutschen Städten Demonstrationen, die zur Solidarität mit Palästina aufrufen. Die Menschen in Gaza, der Westbank und Libanon brauchen tatsächlich die Unterstützung der Weltgemeinschaft. Es ist aber fehlgeleitet, wenn man an solch einem Gedenktag nicht Mitgefühl mit den Opfern, sondern Solidarität mit den Tätern des Massakers zeigt. Der Sache der Palästinenser ist damit nicht geholfen.

Nochmals: Vergewaltigung ist nicht Widerstand

Ich hätte mich am 07. Oktober gerne in Köln einer Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Pogroms angeschlossen. Ich fand keinen entsprechenden Programmhinweis oder Aufruf. Im Fernsehen sehe ich, dass sich in Berlin ein kleines Häuflein zusammengefunden hat, einschließlich einiger Spitzenpolitiker. In der Süddeutschen Zeitung finde ich das Foto einer Frau in Berlin, die ein Plakat hochhält mit  dem Text: „RAPE IS NOT RESISTANCE“, das ich hier zitiere. Ich hoffe, diese Einsicht verbreitet sich auch bei linken Organisationen und Palästina-Aktivisten sowie allen anderen, die sich in der Welt als Widerstandskämpfer ausgeben.


https://www.boell.de/de/2024/04/30/zeuginnen-gestaendnisse-bildmaterial-beweise-fuer-die-vergewaltigungen-durch-die-hamas

15 Witnesses, Three Confessions, a Pattern of Naked Dead Bodies. All the Evidence of Hamas Rape on October 7 – Israel News – Haaretz.com

https://www.sueddeutsche.de/politik/berlin-7-oktober-gedenken-massaker-proteste-palaestina-israel-stimmung-lux.2mi91d5kR75fFJzxMjvLmx

 

 

 

 

 

Narges Mohammadi

31 Jahre Gefängnis und 154 Peitschenhiebe für die Verteidigung der Menschenrechte

 

Bild von Narges Mohammadi

Die iranische Menschenrechtlerin Narges Mohammadi hat den Friedensnobelpreis 2023 erhalten. Die 51-Jährige konnte nicht selbst zur Verleihung am 10. Dezember 2023 nach Oslo kommen, da sie im berüchtigten Evin-Gefängnis gefangen gehalten wird. Ihre 17-jährigen Zwillingskinder Kiana und Ali Rahmani nahmen stellvertretend für sie den Preis entgegen und verlasen ihre Ansprache.

Der Nobelpreis hat Mohammadi zu internationaler Bekanntheit verholfen, sodass es im Internet viele Informationen zu ihrer Biographie und ihrer aktuellen Situation gibt. Ich würdige an dieser Stelle Narges Mohammadi stellvertretend für die vielen unbekannten iranischen Frauen, die wegen ihres Eintretens für Menschen- und Bürgerrechte von einem Regime perverser alter Männer schikaniert, verletzt und eingekerkert werden.

Frau, Leben, Freiheit – زن، زندگی، آزادی


https://www.tagesschau.de/ausland/asien/narges-mohammadi-102.html

Nobelpreise – Iranerin Narges Mohammadi mit Friedensnobelpreis geehrt – Wissen – SZ.de (sueddeutsche.de)

https://de.wikipedia.org/wiki/Narges_Mohammadi

Der Spiegel Nr. 49a. Chronik 2023, 6.12.2023, S. 172 – 173

https://www.igfm.de/narges-mohammadi/

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Mitgefühl

„Wir sind doch alle Menschen, kommen auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. ... Wir dürfen und müssen Acht geben, wir müssen menschlich sein.“

Margot Friedländer


Im laufenden Nahostkonflikt befremdet mich mehr als alles andere der Mangel an oder sogar oft die vollkommene Abwesenheit von Mitgefühl. Mir scheint, dass die Parteinahme für die eine oder andere Seite in der Lage ist, die Teilnahme am Leid von Menschen vollkommen zu unterdrücken.

Als am 07. Oktober 2023 die Hamas in den nahe des Gaza-Streifens gelegenen Gebieten ein Massaker anrichteten, gingen spontan in vielen Ländern, auch bei uns in Deutschland, „propalästinensische“ Demonstranten jubelnd auf die Straße. Für mich ist es unfassbar, dass Menschen sich freuen können über Bilder von verbrannten Zivilisten und enthaupteten Kindern, über Berichte von Vergewaltigung und Verschleppung. Beschämend fand ich auch, dass eine sonst meinungsfreudige progressive Öffentlichkeit in weiten Teilen schwieg und sich in Passivität hüllte. Darauf folgende Kontextualisierungen, Erklärungsversuche für die Ursachen der Gewalt machen es nur schlimmer. Sie geraten in die Nähe von Relativierung, Rechtfertigung und Täter-Opfer-Umkehrung. Als jüdische Gruppen in westlichen Städten Plakate mit den Gesichtern der verschleppten und gefangengehaltenen Menschen klebten, begannen kurz darauf „propalästinensische“ Menschen, diese zu zerkratzen und abzureißen.

Als Reaktion auf den Terrorangriff begann die israelische Armee, Ziele im Gazastreifen zu bombardieren und brachte Panzerverbände an der Grenze in Stellung. An die Bevölkerung erging die Aufforderung, Nord-Gaza zu verlassen. Als ich im Fernsehen die Kolonnen der Flüchtenden sah, Familien die einige wenige Habseligkeiten bei sich trugen, tat es mir in der Seele weh. Gleichzeitig sah ich immer wieder – vor allem auf ausländischen Sendern wie TV5 Monde, RTBF oder BBC – Bilder von Vätern, die weinend ihre toten Kinder aus den Trümmern zogen. In Fernsehdiskussionen wie auch in persönlichen Gesprächen bemerke ich, dass Vertreter des „proisraelischen“ Standpunktes sich nur mühsam überreden lassen zuzugeben, dass die Bevölkerung im Gazastreifen eine ungeheure humanitäre Katastrophe durchlebt.

Der Israel-Palästina-Konflikt ist eine enorm komplexes Problem, mit einer langen Historie, in deren Verlauf sich auf beiden Seiten viel Bitterkeit und berechtigter Zorn angestaut haben. Als Europäer muss man sich davor hüten, aus einer geschützten und behüteten Existenz heraus leichtfertige Urteile oder Rezepte zu verkünden. Zu vielen Einzelthemen habe ich eine dezidierte Meinung, die ich auch äußere. In der aktuellen Situation aber erschüttert mich am meisten, dass nicht nur den kämpfenden Parteien, sondern auch der Öffentlichkeit die Fähigkeit zum Mitgefühl abhanden kommt. „Wir dürfen und müssen Acht geben, wir müssen menschlich sein,“ hat Margot Friedländer bei vielen Anlässen wiederholt.

Meine Sympathie gilt den Palästinensern, denen die israelischen und jüdischen Opfer leidtun.

Meine Sympathie gilt den Israelis und Juden, denen die palästinensischen Opfer leidtun.


https://de.wikipedia.org/wiki/Terrorangriff_der_Hamas_auf_Israel_2023

https://www.redcross.org.uk/stories/disasters-and-emergencies/world/whats-happening-in-gaza-humanitarian-crisis-grows

https://www.juedische-allgemeine.de/politik/zivilisten-sind-zivilisten-auch-in-gaza/?utm_source=pocket-newtab-de-de

https://www.dwds.de/wb/Mitgef%C3%BChl

https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/stress-bewaeltigen/interview-olga-klimecki-neurowissenschaft-mitgefuehl-2138224?tkcm=ab


 

 

Ein lupenreiner Faschist

Vom ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder ist die Feststellung bekannt, dass der russische „Präsident“ Vladimir Putin ein lupenreiner Demokrat sei. Schröders Bürgschaft für Putin erfolgte 2004, als Putin schon fünf Jahre im Amt war und zielgerichtet demokratische Strukturen niedergerissen hatte. 2012 bekräftigte Schröder im Deutschlandfunk sein Lob auf  Putin. Da stand Schröder schon jahrelang auf Putins Lohnliste.

Während Schröder und viele andere deutsche und österreichische (Ex-)Politiker sowie Teile der Partei Die Linke und der AfD weiter das Lob Putins sangen, mehrten sich in der Öffentlichkeit – vor allem seit Kriegsbeginn – Darstellungen, die Putin in die Nähe von Hitler rückten. Der ukrainische Präsident Selenskyj ging in einer Rede vor der Knesset so weit

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, Putins Feldzug gegen die Ukraine mit Begriffen zu belegen, die zum Vokabular des Holocausts gehören („Endlösung“).

Bei allem Abscheu vor der Despotie Putins in Russland und seinem Zerstörungsfeldzug gegen die Ukraine, sollte man sich dennoch vor einer Gleichsetzung von Putin mit Hitler hüten. Putin führt einen rücksichtslosen, grausamen Krieg gegen ein unbeugsames Volk. Eine zielgerichtete Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen, vergleichbar dem Holocaust, findet aber nicht statt.

Bei Berichten über Straßenproteste in Russland höre ich zuweilen den Ruf „Путин — вор!“ („Putin ist ein Dieb!“). Dieser Slogan bezieht sich sowohl auf den Tatbestand des Wahlbetrugs als auch auf den Diebstahl an Volkseigentum.  Tatsächlich hat Putin es geschafft, im Zuge seines politischen Aufstiegs es den Oligarchen, die Russland hemmungslos ausgeplündert haben, gleichzutun und sich um ca. 40 Milliarden $ zu bereichern. Man kann sich vorstellen, was ihm bei einem demokratischen Aufbruch in Russland drohen würde. In gewisser Weise kann man ihm glauben, dass er die Ukraine als Bedrohung empfunden hat, nämlich in dem Maße wie sich dort eine demokratische offene Gesellschaft zu etablieren begann.

Doch geht es bei einem Großen Diktator auch nicht ohne Ideologie. Anfang 2014 verpflichtete er hohe Funktionäre, Werke von Philosophen wie Iwan Alexandrowitsch Iljin, Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew und Wladimir Sergejewitsch Solowjow zu lesen. Darüber hinaus ist Putin von dem rechtsextremen Theoretiker Alexander Geljewitsch Dugin beeinflusst. Mit Versatzstücken aus den Werken dieser Autoren hat sich Putin ein völkisch-nationalreligiöses Weltbild zusammengezimmert, mit einem revisionistischen Anspruch auf die Territorien des früheren imperialen Russlands und der Sowjetunion. Sein größenwahnsinniger Anspruch, wie der Große Diktator mit der Welt spielen zu können, nährt sich aus der Verfügungsgewalt über das weltgrößte Kernwaffenarsenal.

Wenn Putin kein neuer Hitler ist, so lässt sich doch Schröders Feststellung, dass Putin ein lupenreiner Demokrat sei, ummünzen zu dem Urteil, dass er ein lupenreiner Faschist ist, ganz im Sinne des amerikanischen Historikers Robert Paxton: „Faschismus kann definiert werden als eine Form politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit

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, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und der äußeren Expansion verfolgt.“ (Wikipedia)

Die Aussichten, mit einem faschistischen Herrscher, der auf dem Kriegspfad ist, in Zukunft dauerhaft friedlich koexistieren zu können, stehen nicht gut. Wenn er gewinnt, wird ihn das zu weiteren Übergriffen auf Nachbarstaaten ermutigen. Wenn er verliert, wird er möglicherweise, in die Ecke getrieben, zu noch extremeren Mitteln greifen. Bleibt zu hoffen, dass das ukrainische Abenteuer in der russischen Gesellschaft oder in den Reihen der Machteliten und des Militärs eine Entwicklung einsetzen lässt, die Putins Herrschaft wie einen zu stark aufgeblasenen Ballon verpuffen lässt.


https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/analyse-unseres-partnerportals-economist-russland-wladimir-putin-steht-im-bann-eines-einzigartigen-faschismus_id_129948359.html

Heinrich August Winkler: Was Putin mit Hitler verbindet. Wie viele Autokraten und Diktatoren vor ihm hat sich auch der russische Präsident zum Ultranationalisten entwickelt. In: Die Zeit, 10. März 2022, S. 8

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/russland-putin-faschismus-101.html

https://www.n-tv.de/politik/Wie-viel-Hitler-steckt-in-Putin-article23189762.html

https://www.gmx.net/magazine/politik/russland-krieg-ukraine/experte-analysiert-nationalisten-erinnert-putin-36710018

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Emilio_Gentile

https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Paxton

https://de.wikipedia.org/wiki/Roger_Griffin

 

 

Zhang Zhan

Die chinesische Bürgerjournalistin, Bloggerin und ehemalige Anwältin Zhang Zhan wurde im Dezember 2020 für ihre Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie in Wuhan zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.  Sie ist die erste Journalistin, die wegen ihrer Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie in China verurteilt wurde. (Wikipedia)

Für ihre furchtlose Berichterstattung hat Reporter ohne Grenzen (RoG) Zhang Zhan … mit dem Press Freedom Award 2021 ausgezeichnet – in der Kategorie „Journalistischer Mut“. Sie streamte Videos in sozialen Netzwerken, berichtete über überfüllte Krankenhäuser, überlastete Krematorien und eingeschüchterte Bürger. (dw)

In der Weltrangliste der Pressefreiheit belegt China den traurigen Platz 175. Meine Notiz über Zhang Zhan soll auch an die vielen anderen Bürgerjournalisten erinnern, die inhaftiert oder verschwunden sind, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon Notiz genommen hätte.

Update: Am 22.05.2024 wurde gemeldet, dass Zhang Zhan aus der Haft entlassen wurde.


https://de.wikipedia.org/wiki/Zhang_Zhan

Reporter ohne Grenzen verleiht Press Freedom Awards | Welt | DW | 18.11.2021

https://www.amnesty.de/mitmachen/brief-gegen-das-vergessen/china-zhang-zhan-oktober-2023-2023-09-26

Osman Kavala

 

Osman Kavala 2015Ende Oktober 2021 ist vorübergehend der Name des inhaftierten türkischen Aktivisten und Mäzens Osman Kavala in den Schlagzeilen westlicher Medien aufgetaucht. Ein Aufruf der Botschafter der USA, Frankreichs und Deutschlands sowie weiterer Staaten zur Freilassung Kavalas hatte den Zorn von Präsident Erdogan erregt. Erdogan kündigte an, die Botschafter dieser Staaten zu unerwünschten Personen zu erklären und in der Folge ausweisen zu lassen. Der Konflikt wurde kurzfristig entschärft und es ist abzusehen, dass somit das Schicksal Kavalas wieder aus dem Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwindet.

Kavalas Anwalt Ilhan Koyuncu beschreibt den Fall folgendermaßen: „Seit 2017 gab es die unterschiedlichsten Anschuldigungen. Erst soll er die Gezi-Proteste finanziert haben. Dann am Putschversuch von 2016 beteiligt gewesen sein. In beiden Fällen wurde er freigesprochen. Und nun ist er des Hochverrates beschuldigt. Sie sehen, um Osman Kavala in Haft zu halten

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, findet man in diesem Land immer irgendeinen Grund.“ (zitiert nach 3Sat Kulturzeit 25. Oktober 2021).

Am 03. Dezember 2021 hat der Europarat wegen der anhaltenden Inhaftierung von Osman Kavala ein Strafverfahren gegen die Türkei (Vertragsverletzungsverfahren) eingeleitet.

18.02.2022: Kavala erhält den Menschenrechtspreis der Tonhalle Düsseldorf. Die Verleihung des Preises ist am 19. März bei einem Konzert in Düsseldorf geplant. Da Kavala nicht teilnehmen kann, wird der Grünen-Politiker und Bundesminister Cem Özdemir den Preis entgegennehmen. (dw)

25.04.2022: Kavala wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. (tagesschau)

 


https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-01/tuerkei-osman-kavala-europarat-verletzungsverfahren-haft-freilassung

https://de.wikipedia.org/wiki/Osman_Kavala

https://www.fbw-filmbewertung.com/film/letters_from_silivri

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/kavala-tuerkei-101.html

 

 

 

https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/gespraech-shermin-langhoff-osman-kavala-100.html

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Sahra und wie sie die Welt sieht

Linksliberalismus und Lifestyle-Linke

2018-06-09 Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig by Sandro Halank–126Im Frühjahr 2021 gelang Sahra Wagenknecht wieder ein großer Bestseller: Unter dem Buchtitel „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ veröffentlichte sie eine Invektive gegen die Gesamtheit progressiver Parteien und Bewegungen in Deutschland. Als Feindbild dient ihr dabei der „Linksliberalismus“, nach Wagenknechts Erkenntnis „eine relativ junge geistig-politische Strömung“, die erst in den letzten Jahrzehnten gesellschaftlichen Einfluss gewonnen hat.“(S. 12). Wagenknecht sieht in ihr eine überhebliche, „illiberale Denkströmung“ und glaubt sich einig unter anderem mit Noam Chomsky, Mark Lilla, Joanne K. Rowling und Salman Rushdie, die im Juli 2020 einen „Brandbrief gegen die linksliberale Intoleranz und Illiberalität“ verfasst hätten.
Wer Wagenknecht so weit folgen kann – und das scheint die Mehrheit der Rezensenten zu sein – wird ihr wohl auch weiterhin genüsslich schwelgend folgen. Für mich hingegen ist der Genuss getrübt, wenn schon am Anfang das Buch auf einer schiefen Definition aufgebaut wird und Wagenknecht dafür große Namen in Anspruch nimmt, die nie solchen haarsträubenden Unsinn geäußert haben.
– Tatsächlich hat der Linksliberalismus hat in Deutschland eine lange und wichtige Tradition, vor allem in der ersten Jahren der Weimarer Republik (Stichwort DDP).  Wagenknecht betreibt hier eine mutwillige Begriffsverwirrung, der ich nicht folgen möchte.
– Chomsky, Lila, Rowling und Rushdie wenden sich in ihrer Erklärung nicht gegen den Linksliberalismus, wie Wagenknecht suggeriert. Sie setzt wohl fest darauf, dass ihre gutgläubigen Leser nicht in der Lage sind, das englische Original zu lesen.
Neben der Umdefinition des Begriffs „Linksliberalismus“ hält Wagenknecht zur Komplettierung des Feindbildes noch eine Neuschöpfung bereit: „Lifestyle-Linke“, also eine soziale Schicht von Bessergestellten, die sich als „urban, divers, kosmopolitisch, individualistisch – links“ definieren.

Frau Wagenknecht und das Volk

Ich überlege kurz, ob ich auch unter dieses Klischee falle. Ich entstamme bescheidensten kleinbäuerlichen Verhältnissen und habe die längste Zeit meines Lebens mit materiellen Sorgen kämpfen müssen

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, wie die meisten Menschen in meinem Umfeld. Trotzdem bin ich urban, divers, kosmopolitisch und individualistisch geworden, wie viele andere auch. Nur links bin ich, im Gegensatz zu Frau Wagenknecht, nicht. Und vor allem nicht reaktionär. Etwas bürgerlich bin ich wohl, aber nicht konservativ oder rechts genug, um Wagenknecht zuzujubeln.
Ich glaube, Frau Wagenknecht würde es gut tun, für einige Zeit die politisch-publizistische Blase zu verlassen und sich unter das „Volk“ zu mischen, jene Spezies für die sie auf allen Kanälen kämpferisch und mit scharfer Zunge streitet. Sie würde dann vielleicht auch entdecken, dass die individuellen Identitäten der Menschen nicht gesellschaftlichem Zusammenhalt und Gemeinsinn entgegenstehen, sondern – anders als vielleicht in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts – der Respekt für die Diversität eine Voraussetzung für den Zusammenhalt ist.

Kooperiere mit niemandem

Nun gut, ich werde mich weiter durch das Buch hindurchquälen, denn es verspricht ja noch einen zweiten Teil, der als „Programm für Gemeinsamkeit, Zusammenhang und Wohlstand“ angekündigt ist. Ich platze geradezu vor Neugier, mit wem denn Wagenknecht außer mit sich selbst (und vielleicht ihrem Ehemann) noch glaubt, Gemeinsamkeiten entwickeln zu können. Nachdem Sahras eigene handgestrickte linke Bewegung „aufstehen“ erfolglos vor sich hindümpelt, hat sie bestimmt neue, Erfolg versprechende Vorschläge in der Hinterhand. Vielleicht hat sie ja dazugelernt und andere Rezepte entwickelt als das ewige „kooperiere mit niemandem und verurteile sie alle“. Bisher hatte ich eher den Eindruck einer großen Kluft zwischen verbalem Anspruch und politischer Praxis: Während Wagenknecht es sich bei keiner Gelegenheit nehmen lässt

, mit scharfen Worten die soziale Ungleichheit und gesellschaftliche Spaltung in Deutschland zu geißeln, bekämpft sie gleichzeitig jede Möglichkeit einer praktischen Mehrheitsbildung links der Mitte. An der mühsamen Kleinarbeit  im Interesse von Maßnahmen wie steuerlichen Erleichterungen für die sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten, an der Durchsetzung von mehr Lohngerechtigkeit und an besseren Bildungs- und Aufstiegschancen für Kinder aus armen Familien ist sie in der Praxis vollkommen desinteressiert. Das würde ja bedeuten, dass sie sich zu einer Zusammenarbeit und Konsensbildung mit den verhassten progressiven Milieus bereit finden müsste. Denn um Veränderungen herbeizuführen, bedarf es der Organisation von Mehrheiten und nicht nur Rechthaberei.

Die Königin der Talkshows

Das Buch, soweit ich es bisher gelesen habe, ist eine Erbauungsliteratur für Leser, die unter der vermeintlichen links-grün-versifften Meinungsführerschaft leiden und nun goutieren, wie gegen diese – scheinbar geistreich, auf jeden Fall aber rhetorisch machtvoll – ausgeholt wird

, zumal von einer Kronzeugin, die den Ruf hat, selbst weit links zu sein. Es ist die schiere Lust am Reaktionären, die hier von Wagenknecht bedient wird. Für Wagenknecht springt dabei ebenfalls einiges heraus: Noch mehr Talkshow-Termine, Gastbeiträge in Medien, und jede Menge Publicity auf dem Boulevard. Es gibt für Wagenknecht definitiv einen Markt. Und in dem Wettrennen mit Boris Palmer hat sie jetzt wieder die Nase vorn.


 

https://taz.de/Neues-Buch-von-Sahra-Wagenknecht/!5764480/

https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-clip-4-194.html

Für eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema Identität empfehle ich
Fukuyama, Francis: Identität: Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet, Hamburg 2019

 

Maria Kalesnikava

Maria Kalesnikava 2020-08 Heute, am 04.08.2021, beginnt der Prozess gegen Maria Kalesnikava in Minsk/Belarus. Kalesnikava ist die von ihr selbst gewählte Transkription des weißrussischen Namens; auf Russisch heißt sie Мария Александровна Колесникова / Marija Alexandrowna Kolesnikowa. Aufmerksam wurde ich auf sie erstmalig im Sommer 2020, als ich im Fernsehen Bilder von den großangelegten Demonstrationen in Minsk gegen die mutmaßlich gefälschte Wiederwahl von Lukaschenko sah. Videoaufnahmen zeigten eine fröhlich singende Frau mit kurzen, blond gefärbten Haaren, die den Protestzug mit anführte. Maria Kalesnikava weiterlesen

Völkermord

Der „Herero-Aufstand“

Herero chainedJetzt, im Mai 2021, ist es offiziell: Die Bundesregierung erkennt den Völkermord an den Herero und Nama in der Zeit von 1904 – 1908  im heutigen Namibia als Völkermord an. Deutschland und seine diversen Regierungen und Regime haben das Thema weit über 100 Jahre vor sich hergeschoben. In meinem Gedächtnis klingt die Sprachregelung nach, die für diese Gräueltaten in Westdeutschland galt: „Herero-Aufstand“. Völkermord weiterlesen