Was ist: Islamismus

Von der Benutzbarkeit der Religion

Der Islamismus mit seiner Betonung von Abgrenzung und Identität ist eine Sonderform rechter autoritärer Ideologie. In der rückwärtsgewandten Projektion und Benutzung religiöser Versatzstücke hat er Gemeinsamkeiten mit der evangelikalen Rechten in den USA. Obwohl islamistische Extremisten unter Muslimen die Minderheit sind, schaffen sie es zeitweise, in der Darstellung dessen, was Islam sein soll, eine Art Lufthoheit zu erlangen. Dazu verhelfen ihnen öffentlichkeitswirksame Auftritte und spektakuläre Gewalttaten. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ist der Ruf „Allahu akbar الله أَكْبَر“ als Schlachtruf bei Anschlägen auf zivile Menschen bekannt. Dabei handelt es sich eigentlich nur um den „takbir – تَكْبِير“ – die Lobpreisung „Gott ist groß“ im täglichen Gebet.

Was hat der Islamismus mit dem Islam zu tun?

Die große Mehrheit der Geflüchteten und Einwanderer aus muslimischen Ländern ist nicht islamistisch eingestellt, und auch nicht alle Islamisten sind gewaltaffin. Dennoch gibt es zahlreiche Beweise, dass einige Moscheegemeinden Zentren der Radikalisierung und der Rekrutierung junger Menschen für Anschläge auf Menschen sowie den Einsatz als islamistische Krieger waren. Dokumentationen von Predigten in Moscheen sind ernüchternd. Sie zeigen eine deutliche Tendenz, die Gläubigen von der Integration in die liberale demokratische Gesellschaft abzuhalten. Die Aussage, der Islamismus habe nichts mit dem Islam zu tun, ist also definitiv falsch – ebenso falsch wie die Gleichsetzung des Islams mit Islamismus. Zur Rechtfertigung von Gewalttätigkeit und totalitärem Gesellschaftsverständnis berufen sich islamistische Ideologen vor allem auf die medinensischen Suren der Korans, die eine Gemeindebildung unter kriegerischen Bedingungen widerspiegeln und detaillierte Regelungen für die Gestaltung des sozialen Lebens enthalten.

Rückwärtsgewandtheit

Die Gedankengebäude und Begründungen islamistischer Ideologen ähneln stark denen der Neuen Rechten. Es gibt eine Mythenbildung, die sich auf einen angeblich in der Vergangenheit existierenden Idealzustand gründet. Salafisten, eine der in Deutschland bekannteren Gruppierungen, beziehen sich dabei auf einen idealtypischen mittelalterlichen Gesellschaftszustand unter der Ägide der „rechtschaffenen Vorfahren“ (as-salaf-us-sāliḥ السلف الصالح ). Daraus wird ein autoritäres, theokratisches Gesellschaftsmodell abgeleitet, das die Geschäftsordnung der säkularen Gesellschaft bekämpft und Gewalttaten bis hin zu terroristischen Anschlägen rechtfertigt. Menschliches Handeln ist nicht im Diesseits, sondern in Jenseitserwartungen begründet. Auf „Gläubige“, die sich für den kriegerischen Dschihad entscheiden, wartet nach dem Tod eine Art Pornoparadies, mit der Verfügung über 72 Jungfrauen und nie nachlassenden Erektionen. Auch hier besteht eine Verwandtschaft zu anderen totalitären Weltanschauungen: Die Ideologie übt die Verfügungsgewalt über ihre Anhänger aus, indem sie die Übermacht absurder Behauptung über rationale Welterfahrung demonstriert.

Wozu dient Glaubenskampf?

Es gibt weichgespülte Sichtweisen des Islams, die sich vor allem auf die mekkanischen Suren beziehen. Der Rückzug auf diese Interpretationen ist genauso wenig hilfreich wie die Rechtfertigung von Islamophobie mit Verweis auf die gewalttätigen Aspekte. Noch fragwürdiger sind Versuche, den Islam durch theologische Vergleiche mit dem Christentum und anderen Religionen zu diskreditieren. Sinnvoller ist die Erkenntnis, dass alle Religionen als Rechtfertigung für mörderische Gewalt dienen können. Ist Völkermord im Namen des Christentums, des Marxismus-Leninismus oder des Buddhismus freundlicher zu beurteilen als Terror und Kriege im Namen des Islam? Solche Betrachtungen sind rein glaubenskämpferisch und richten sich gegen den Geist einer säkularisierten Gesellschaft, die allen Religionen Respekt und Schutz zusichert, ihnen aber gleichzeitig die Grenzen vorgibt, nämlich die säkulare Staatsordnung mit ihrer Verfassung, dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Strafrecht.

Was tun?

Für die Auseinandersetzung mit dem Islamismus in unserer Gesellschaft heißt das: Die Gesetze des Landes sind konsequent anzuwenden, wenn nötig mit der Hilfe von Geheimdiensten, Polizei und Justiz. Falsch verstandene Liberalität hilft hier nicht weiter. Was hindert die deutschen Behörden daran, Einwanderer nicht nur anhand ihrer Sprachkompetenz, sondern auch anhand ihres Wissens über die säkulare Geschäftsordnung des Staates zu bewerten? Andererseits sind Anhänger islamistischer Ideologie auch Menschen, mit denen wir zusammenleben. Hier entstehen auch Gespräch und geistige Auseinandersetzung, und davon soll man sich nicht durch dumpfe Islamophobie abhalten lassen. Selbst wenn man dabei auf Grenzen stößt: Nach meiner persönlichen Erfahrung ist die Chance, einem islamistisch gesinnten Mitbürger den Antisemitismus auszureden, in etwas so groß wie die Aussicht, einen rechtsradikalen Holocaustleugner zur Anerkennung historischer Fakten zu bewegen. Damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt meines Artikels: Rechtsradikale und Islamisten sind Brüder im Geiste, mögen sich ihre Narrative auch unterscheiden. Und ja: Wir müssen natürlich den von mir gepriesenen säkularen Geist der Gesellschaftsordnung verteidigen und stärken. Es ist erst einige Monate her, dass ein Ministerpräsident medienwirksam in einer Landesbehörde mit einem Kreuz in der Hand herumsprang – und dennoch in der Folge bei Wahlen in seinem Amt bestätigt wurde. Da werden in unserem Land politische Ämter ausgeübt von Leuten, die nach meinem Dafürhalten nicht die Kriterien für Einwanderung geschweige denn für eine Einbürgerung erfüllen würden. Von einer säkularen politischen Leitkultur sind wir in Deutschland noch ein gutes Stück entfernt.


Zum Thema:

https://www.tagesspiegel.de/politik/radikaler-islam-und-verfall-der-demokratie-die-muslimischen-laender-rutschen-immer-tiefer-in-die-krise/25547282.html?utm_source=pocket-newtab

https://www.zeit.de/2018/16/constantin-schreiber-moscheereport-kritik/komplettansicht

Vorwärts und nicht vergessen. Islamismus und Gesellschaft. https://vunv1863.wordpress.com/

https://www.zeit.de/2016/15/boualem-sansal-das-ende-der-welt-2084-islamismus

https://jungle.world/artikel/2019/01/rassistische-islamkritik-ist-ein-widerspruch?page=all

https://islamfatwa.de/glossar/75-salaf-salih

https://de.wikipedia.org/wiki/Taharrusch_dschama’i

https://a3wsaar.de/fileadmin/user_upload/flugschrift/FS_Islamismus_2018_Titel_II_taz_1_11_18_a3w_30J_Titel_I_201212.pdf

https://www.lemonde.fr/idees/article/2016/02/11/les-fantasmes-de-kamel-daoud_4863096_3232.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Islamismus

https://de.wikipedia.org/wiki/Islamismus#Salafismus

https://www.lemonde.fr/idees/article/2016/01/31/cologne-lieu-de-fantasmes_4856694_3232.html

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/islam-und-koerper-das-sexuelle-elend-der-arabischen-welt-14075502.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

https://www.vielfalt-mediathek.de/data/idz_islamismus_rechtsextremismus_vielfalt_mediathek.pdf