Die Abwertung von Gruppen: Stereotype, Vorurteile und Diskriminierungen
Der Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wurde ursprünglich vom Bielefelder Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer geprägt. Ich gebe auf dieser Seite einen Überblick über einzelne Elemente des "Syndroms" gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die meisten Kurzdefinitionen stützen sich auf Wikipedia-Artikel und Definitionen der Amadeu Antonio Stiftung.
Die auf dieser Übersichtsseite dargestellten Elemente gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit werden von Populisten umso ausgiebiger verwendet, je weiter sie „rechts“ zu verorten sind. Das heißt aber nicht, dass im Gegenschluss „linke“ Akteure in jedem Falle frei von diesen Phänomenen seien. Das gilt vor allem für das Phänomen des Antisemitismus.
Menschen werden aufgrund weniger äußerer Merkmale und vermuteter genetischer Abstammung als minderwertig eingeordnet; gleichzeitig wird die Gruppe, welche als die eigene definiert wird, als höherwertig eingestuft. Die Attraktivität des Rassismus besteht für den Rassisten in der Aufwertung seines Selbst und der Festigung seiner Identität.
Ein Beispiel für Rassismus ist White Supramacy, eine Ideologie, die eine Überlegenheit der „weißen Rasse“ behauptet. In Deutschland hat 2018 die MeTwo-Debatte Rassismus in der deutschen Gesellschaft mit konkreten Beispielen benannt.
Fremdenfeindlichkeit (bildungssprachlich Xenophobie) ist eine Einstellung, die Menschen aus einem anderen Kulturkreis, aus einem anderen Volk, aus einer anderen Region oder aus einer anderen Gemeinde aggressiv ablehnt. Begründet wird die Ablehnung mit sozialen, religiösen, ökonomischen, kulturellen oder sprachlichen Unterschieden. In diesen Unterschieden wird eine Bedrohung gesehen. Fremdenfeindlichkeit ist oft eine Erscheinungsform von Nationalismus, Rassismus oder Regionalismus. Sie fördert die Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Fremden in der Gesellschaft.
Man mag den Begriff der Fremdenfeindlichkeit im Kontext rechtsextremer Übergriffe als verharmlosend kritisieren, als Sammelbegriff für mehrere Symptome gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hat er dennoch seine Berechtigung. Laut einer Studie der Universität Leipzig 2018 vertritt fast jeder dritte Deutsche ausländerfeindliche Positionen.
Antisemitismus bedeutet Abwertung von Menschen jüdischen Glaubens und Herkunft sowie ihrer kulturellen und religiösen Symbole. Die Diskriminierung von Juden basiert zumeist auf Stereotypen. Ein häufiger Vorwurf lautet, Juden nutzten den Holocaust für ihre eigenen Zwecke aus (sekundärer Antisemitismus). Antisemitismus thematisiert vor allem bedrohende „Verschwörungen“ und „Ausbeutungen“, die es abzuwehren gelte. Auch Antizionismus, der sich gegen das Existenzrecht Israels richtet, wird oft als getarnter Antisemitismus beurteilt.
In Deutschland wurden seit 2010 fast 12.000 antisemitische Straftaten erfasst (Stand 2018).
Homophobie bezeichnet feindselige Einstellungen gegenüber Homosexuellen. Im Vordergrund steht dabei das von der heterosexuellen Norm abweichende sexuelle Verhalten und Auftreten in der Öffentlichkeit.
Mitte 2017 registrierten die Behörden in Deutschland rund ein Drittel mehr homophobe Attacken als im vorausgegangenen Jahr.
Obdachlosendiskriminierung bezeichnet die Diskriminierung von Obdachlosen, welche Abwertung, Ausgrenzung und körperliche Gewalt bis zu Mord umfasst.
Jedes Jahr werden in Deutschland Hunderte Obdachlose Opfer von Gewalt. 2017 gab es mindestens 17 Tote. Die Täter sind oft selbst obdachlos – doch es gibt auch viele Übergriffe von Rechtsextremen.
Abwertung von Behinderten meint feindselige Einstellungen gegenüber Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Diese Einstellungen richten sich gegen die „Normalitätsabweichung“ und die daraus angeblich abgeleiteten Forderungen nach Unterstützung.
Bekannte Beispiele für Behindertenfeindlichkeit sind die Verspottung von behinderten Politikern wie Wolfgang Schäuble oder Malu Dreyer in Deutschland sowie die Nachäffung eines an Arthrogryposis leidenden Journalisten durch Donald Trump.
Als Islamophobie wird die Feindseligkeit gegenüber Muslimen sowie deren kategorische Abwertung und Benachteiligung bezeichnet. Daneben existieren die konkurrierenden Bezeichnungen und Konzepte Islamfeindlichkeit, Muslimenfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus, die unterschiedliche Schwerpunkte und Wertungen bei der Betrachtung des Phänomens setzen.
Das bekanntest Beispiel für Islamfeindlichkeit in Deutschland stellt die Bewegung Pegida dar.
Sexismus betont die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wobei die angebliche Überlegenheit des Mannes und feste Rollenzuweisungen an die Frau im Mittelpunkt stehen. Sexismus stellt einen Sonderfall innerhalb der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit dar. Es handelt sich hierbei um die angebliche Ungleichwertigkeit einer Mehrheit der Bevölkerung und nicht, wie bei den anderen Gruppen, einer Minderheit.
Zum Sexismus zählt unter bestimmten Bedingungen auch sexuelle Belästigung.
2017/2018 war die Debatte über Sexismus vor allem durch die MeToo-Bewegung geprägt.
Etabliertenvorrechte beziehen sich auf Alteingesessene, gleich welcher Herkunft, die eine Vorrangstellung beanspruchen und anderen gleiche Rechte vorenthalten möchten. Sie verletzen so das Prinzip der Gleichwertigkeit.
Als Diskriminierung Arbeitsloser, insbesondere Langzeitarbeitsloser, wird eine Form der Diskriminierung betrachtet, die „Menschen nach ihrer vermeintlichen ökonomischen Nützlichkeit“ abstuft. Teilweise diskriminierende Diskurse um Arbeitslose gruppieren sich häufig um Schlagworte oder Aussagen, die eine abwertende Zuschreibung verdichten.
Einen besonderen Höhepunkt erreichten 2005 solche Diskurse in der Broschüre des damaligen Bundeswirtschaftsministers Clement mit dem Titel „Vorrang für die Anständigen – Gegen Missbrauch, ‚Abzocke‘ und Selbstbedienung im Sozialstaat„.
Die Feindseligkeit gegenüber Asylsuchenden äußert sich in der öffentlichen Diskussion besonders in der Verwendung von Begriffen wie „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Asyltourismus“ u. ä., die dazu dienen, Menschen, die einen Antrag auf Asyl stellen, zu diskreditieren.
Antiziganismus ist ein in Analogie zu „Antisemitismus“ gebildeter Fachbegriff, der eine spezielle Form des Rassismus beschreibt. Er bezeichnet die von Stereotypen, Abneigung und/oder Feindschaft geprägten Einstellungskomplexe gegenüber Roma, Sinti, Fahrenden, Jenischen und andere Personen und Gruppen, die von der Mehrheitsgesellschaft als „Zigeuner“ stigmatisiert werden sowie die durch diese Einstellungen bedingten oder mit bedingten Formen gesellschaftlicher und staatlicher Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung bis hin zu Vertreibung, Pogromen, Internierung, Zwangssterilisierung und staatlich organisiertem Völkermord (Porajmos).
Die Einführung des Begriffs der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" hat den praktischen Nutzen, dass hiermit ein Sammelbegriff für all die verschiedenen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung zur Verfügung steht. Der Begriff wurde einerseits von vielen Autoren übernommen; gleichzeitig aber kommt er dennoch schwer über die Lippen, ist er doch schwer eingängig. Reicht es nicht, einfach "Menschenfeindlichkeit" zu sagen? Damit ist die Silbenzahl mehr als halbiert und es fällt leichter, sich den Begriff zu merken und zu verwenden.
Zum Weiterlesen:
Deutsche Zustände – Folge 10, Frankfurt 2012 (edition suhrkamp), Hg.: Wilhelm Heitmeyer
Michael Müller: Gespaltene Mitte – feindselige Zustände? Vorstellung der neuen „Mitte-Studie“ (2016)
Leipziger Autoritarismus-Studie 2018
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