Boykott gegen einen israelischen Künstler
Gestern Abend (05.11.2025) habe ich ein von Lahav Shani dirigiertes Konzert des Israel Philharmonic Orchestra in der Kölner Philharmonie besucht.
Es gab Beethovens fünftes Klavierkonzert mit Yefim Bronfman am Piano und Tschaikowskys fünfte Sinfonie. In den Wochen zuvor hatte ich in den Medien den Skandal um die Absage eines Auftritts von Shani mit den Münchner Philharmonikern durch das ‚Festival van Vlaanderen‘ in Gent verfolgt. Der Vorwurf lautete, Shani habe sich nicht eindeutig von der israelischen Kriegsführung im Gaza-Krieg distanziert. In der deutschen Öffentlichkeit wurde daraufhin der Vorwurf des Antisemitismus laut, unter anderem durch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein. Mir ist bei einer inflationären Verwendung dieses Begriffes nicht wohl, da man so Gefahr läuft, diese zweitausend Jahre alte toxische und für die Juden auf schreckliche Weise folgenreiche Ideologie verbal zu entschärfen. Dennoch missbillige ich die Ausladung von Shani. Als ich gestern Nachmittag sah, dass es noch eine Handvoll Tickets gab, habe ich kurzentschlossen zugegriffen. Ich wollte ein Statement machen, so wie drei Wochen zuvor durch den Besuch eines Konzerts mit dem pro-palästinensischen Aktivisten Michael Barenboim. Es gab übrigens an beiden Abenden wunderschöne Musik zu hören.
Wider den Bekenntniszwang
Überzeugend fand ich in diesem Meinungsstreit die Stellungnahme von Deniz Yücel, der betont, dass Lahav Shani nichts Verwerfliches gesagt hat, sondern nur ein gefordertes Bekenntnis nicht erbracht hat. PEN Berlin, dessen Mitglied Yücel ist, schreibt in einer Pressemitteilung vom 11. September 2025 : Meinungsfreiheit ist nicht nur das Recht, sich frei und ohne Furcht vor Repressalien zu äußern; sie beinhaltet auch das Recht, sich nicht äußern zu müssen. Bekenntniszwang ist ein Merkmal autoritärer und erst recht totalitärer Regime. Künstler:innen Bekenntnisse abzuverlangen, verstößt gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, wie es das Prinzip der Trennung von Kunst und Künstler:innen missachtet.
Demonstranten mit Davidstern
Als ich, von der U-Bahn kommend, die Philharmonie erreichte, sah ich vor dem Eingang eine Menschenansammlung und hörte laute rhythmische
Musik, die ich nicht näher identifizieren konnte.
Es waren Aktivisten, die Transparente und Fahnen mit dem Davidstern hielten. Auf einem Transparent las ich: You are not alone. We stand with you. Es war genau das, was ich mir nicht gewünscht hatte: Künstler als Gegenstand politischer Positionskämpfe. Zumindest bestätigte sich nicht die Befürchtung, vor der Philharmonie auf gewalttätige Pro-Palästina-Gruppen zu stoßen. Was die Aktivisten mit dem Davidstern betrifft, so überlegte ich mir, dass man es ja verschieden interpretieren könnte: Als Solidarisierung mit einer Regierung, die Zehntausende Zivilisten töten lässt, damit ein korrupter Regierungschef an der Macht bleiben kann; aber auch als Zeichen der Solidarität mit israelischen und jüdischen Menschen, die leider auch bei uns mehr und mehr in Bedrängnis geraten. Mir tat es weh, die Kolonne von Polizei-Mannschaftswagen zu sehen, die von der Philharmonie bis zum Rhein reichte. Dass so etwas nötig ist, um den Auftritt eines israelischen Künstlers zu schützen!
Störung des Kulturgenusses
Dann geschah mitten im Beethoven-Klavierkonzert das scheinbar Unvermeidliche: In meiner Sitzreihe stand ein junger Mann auf, klatschte in die Hände und rief: „Stoppt den Genozid!“ Aus dem Publik war missbilligendes Gemurmel zu hören. Die Polizei war innerhalb von Sekunden zur Stelle und führte den Störenfried ab. Die Musik spielte ohne Unterbrechung weiter.
Beim Pausenapplaus waren dann die lauten Rufe eines weiteren Störenfrieds zu hören: „Deutschland wird sich nie vom Holocaust reinwaschen können!“ Schnell war die Polizei zu Stelle. Der junge Mann versuchte auszuweichen und lief auf mich zu. Ich stellte mich ihm in den Weg, und er wurde abgeführt. Bei der direkten Konfrontation hatte ich nicht das Gefühl, es mit einem Gewalttäter zu tun zu haben. Eher mit einem harmlosen Menschen.
Gern würde ich jetzt gerne einen schlauen Satz mit einem Fazit formulieren. Kann ich aber nicht. Das Erlebte beschäftigt mich.
https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachrichten/lahav-shani-israel-philharmonie-koeln-proteste-100.html
Kann man, darf man Auschwitz zum Gegenstand einer Oper machen? Die Oper „Die Passagierin“ von 
Das Massaker wird als Widerstand gepriesen: „Der 7. Oktober 2023 ist keine isolierte Gewalt, sondern Höhepunkt jahrzehntelanger Unterdrückung. … Widerstand ist legitim: auch nach internationalen Recht hat ein besetztes Volk das Recht, sich gegen Kolonialisierung, Apartheid und Unterdrückung zu verteidigen.“ Ich bin entsetzt über dieses Ausmaß an
Das hat durchaus Sinn, da mit dem Massaker ein Angriff auf den Staat Israel bezweckt worden war.
Objekte gezeigt werden, die früher oder später an afrikanische Staaten zurückgegeben werden müssen (
Wenn es um die Ausweisung afrikanisch-stämmiger Menschen geht, scheint die Motivation der deutschen Politiker deutlich lebhafter zu sein. Von der Rückgabe geraubter Kunstwerke scheinen sich die Verantwortlichen nicht viel politischen Gewinn zu versprechen. Statt dessen hecheln sie der AfD im Wettkampf um populistische Positionen hinterher.
Ende Januar 2024 „stolperte“ ich auf dem Weg zur Kölner Zentralbibliothek über eine Reihe Slogans, die auf den Boden gesprüht worden waren. Einer lautete „RAPE IS NOT RESISTANCE“. Der Text bezog sich auf das Massaker der Hamas vom 07. Oktober 2023, bei dem unter anderem Frauen verstümmelt und zu Tode vergewaltigt worden waren. Über die Art und das Ausmaß der sexualisierten Gewalt entwickelten sich in der Presse und anderen Medien Kontroversen. Glaubwürdig erscheint mir eine detaillierte Zusammenfassung durch die
Programmhinweis oder Aufruf. Im Fernsehen sehe ich, dass sich in Berlin ein kleines Häuflein zusammengefunden hat, einschließlich einiger Spitzenpolitiker. In der 
vielen Einzelthemen habe ich eine dezidierte Meinung, die ich auch äußere. In der aktuellen Situation aber erschüttert mich am meisten, dass nicht nur den kämpfenden Parteien, sondern auch der Öffentlichkeit die Fähigkeit zum Mitgefühl abhanden kommt. „Wir dürfen und müssen Acht geben, wir müssen menschlich sein,“ hat Margot Friedländer bei vielen Anlässen wiederholt.
Während Schröder und viele andere deutsche und österreichische (Ex-)Politiker sowie Teile der Partei Die Linke und der AfD weiter das Lob Putins sangen, mehrten sich in der Öffentlichkeit – vor allem seit Kriegsbeginn – Darstellungen, die Putin in die Nähe von Hitler rückten. Der ukrainische Präsident Selenskyj ging in einer
Bei allem Abscheu vor der Despotie Putins in Russland und seinem Zerstörungsfeldzug gegen die Ukraine, sollte man sich dennoch vor einer Gleichsetzung von Putin mit Hitler hüten. Putin führt einen rücksichtslosen, grausamen Krieg gegen ein unbeugsames Volk. Eine zielgerichtete Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen, vergleichbar dem Holocaust, findet aber nicht statt.
Doch geht es bei einem Großen Diktator auch nicht ohne Ideologie. Anfang 2014 verpflichtete er hohe Funktionäre, Werke von Philosophen wie Iwan Alexandrowitsch Iljin, Nikolai Alexandrowitsch Berdjajew und Wladimir Sergejewitsch Solowjow zu lesen. Darüber hinaus ist Putin von dem rechtsextremen Theoretiker Alexander Geljewitsch
Die Aussichten, mit einem faschistischen Herrscher, der auf dem Kriegspfad ist, in Zukunft dauerhaft friedlich koexistieren zu können, stehen nicht gut. Wenn er gewinnt, wird ihn das zu weiteren Übergriffen auf Nachbarstaaten ermutigen. Wenn er verliert, wird er möglicherweise, in die Ecke getrieben, zu noch extremeren Mitteln greifen. Bleibt zu hoffen, dass das ukrainische Abenteuer in der russischen Gesellschaft oder in den Reihen der Machteliten und des Militärs eine Entwicklung einsetzen lässt, die Putins Herrschaft wie einen zu stark aufgeblasenen Ballon verpuffen lässt.